Es gab einen Witz, den ich vor 2021 immer wieder erzählt habe. Ein Witz, der die Quintessenz des feinen Unterschieds zwischen Motivation und Commitment auf den Punkt bringt:

Ich gehe regelmässig joggen – jedes Jahr einmal zwischen Weihnachten und Neujahr.

Weihnachten ist die Zeit des Jahres, in der die Dehnungsfähigkeiten meines Magens regelmässig auf die Probe gestellt wird. Weihnachtsessen im Büro, Brunch mit Freunden und die traditionelle Tour de Force bei Eltern, Schwiegereltern, Geschwistern, Tanten und Cousinen. Diese Fress-Orgie endet normalerweise zwischen Weihnachten und Neujahr. Und dann tauchte er wieder auf: der Mann im Spiegel. Diese lästige Präsenz. Er ist eigentlich immer da aber in der Regel kann ich ihn meisterlich ignorieren. Doch nach Weihnachten wird das schwierig. Er schaute mich jedesmal durchdringend an.

„Er ist zu fett“, denke ich.

«Das bist du», antwortet er. Er kann meine Gedanken lesen. Verdammt!

„Blöder Mann im Spiegel“, denke ich.

«Du musst joggen gehe», sagte er streng.  «Du musst diese Kilos loswerden, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben.»

«Es ist nicht so schlimm», antwortete ich, leicht beleidigt.

«Nein, stimmt. Es ist viel schlimmer! Wäre es nicht cool, im Sommer auf dem Strand mit einem Sixpack zu stehen?»

«Ja, mega!», sagte ich mit strahlenden Augen und einem dämlichen Grinsen.

«Dann musst du jetzt joggen gehen. So einfach ist das.»

«Ok, ich gehe.» Der Mann im Spiegel hatte es wieder geschafft. Motiviert durch diese Vision vom Sixpack, schnappe ich mir meine (praktisch unbenutzten) Laufschuhe aus dem Keller, ziehe mich um und mache ein paar Dehnübungen. Voller Elan geht’s los!

500 Meter.
Ein Kilometer.
1800 Meter.
Nach 2,5 Kilometer ist Schluss. Mein Puls rast, die Klamotten sind klitschnass. Ich schleppe mich nach Hause und denke: Morgen gehe ich wieder. Übermorgen auch. Ich brauche einen Plan.

Motivation ist schwach

Ich fange an zu recherchieren: Wie kann ich am besten trainieren? Stundenlang. Nicht trainieren, sondern recherchieren. Ich schaute alle Videos, die YouTube mir anbieten kann. Ich erstelle Excel-Tabellen mit Kraft- und Cardio-Übungen. Doch dann ist es wieder der 6. Januar und ich muss arbeiten gehen. Joggen hatte in meinem Kalendar keinen Platz. Am Ende war ich wieder nur ein einziges Mal laufen – wie jedes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr. Motivation: Verpufft. Die überschüssigen Kilos: Immer noch da.

Diese Geschichte wiederholte sich Jahr für Jahr. Bis Februar 2021.

Nach fast ein Jahr Pandemie, wollte ich mein Lieblingshemd anziehen. Ich wollte aber ich konnte nicht. Das Hemd war plötzlich zu eng. Ich war schockiert. So ging ich joggen. Nicht weil ich einen Sixpack wollte, sondern weil ich bereit war, Zeit und Energie in meine Gesundheit zu investieren. Ich war nicht besonders motiviert. Ich hatte eigentlich keine grosse Lust. Aber ich war fest entschlossen, fitter zu werden. Das war der entscheidende Unterschied: Commitment war da.

Motivation vs. Commitment

Der Unterschied zwischen Commitment und Motivation liegt in ihrer Beständigkeit. Motivation ist volatil. Sie ist da, wenn die Umstände passen, verschwindet aber schnell, wenn es schwierig wird. Commitment ist hartnäckig. Es braucht Zeit, um es aufzubauen, aber wenn es einmal da ist, hält es stand – selbst dann, wenn die Lust fehlt.

Motivation ist eine Ansammlung interner und externer Faktoren, die dich kurzfristig antreiben. Commitment ist eine innere Bindung an ein Ziel, die dir langfristig Kraft gibt.

Commitment ist die magische Energie, die dich um 6 Uhr morgens ins Fitnessstudio bringt, auch wenn du lieber im Bett bleiben würdest. Es ist das tägliche Lernen von 20 Minuten Spanisch, obwohl Netflix verlockender wäre. Oder das Nein zu Kuchen beim Geburtstagsbuffet, weil du dir vorgenommen hast, deine Ernährung zu verbessern.

Kümmere dich um dein Commitment

Commitment macht den Unterschied. Es ist unbequem, aber beständig – und führt dich ans Ziel. Fang klein an: Entscheide dich für eine Sache, die dir wichtig ist, und bleibe dran. Egal, ob es Joggen, Sprachenlernen oder eine gesunde Ernährung ist – setze dir ein Versprechen und halte es ein. Der Lohn ist grösser als jedes Sixpack: Es ist das gute Gefühl, dein Leben in die Hand zu nehmen.